02a. NOTICES BIOGRAPHIQUES SUR GEORGES KEMPF

02a. NOTICES BIOGRAPHIQUES SUR GEORGES KEMPF

DOCUMENT 1 Texte de Christian KEMPF, fils de Georges

Georges KEMPF, Biographie, forme française 
Par Christian Kempf, fils de Georges, pasteur UEPALGeorges Alfred Kempf est né le 10 décembre 1916 à Val-D’Ajol (Département des Vosges) où sa famille, originaire de Soultzeren (Haut-Rhin) était évacuée en raison de la Guerre. Il a grandi au « Mageisberg » à Soultzeren. Il a passé le baccalauréat par correspondance, tout en gardant les vaches sur les hauteurs, et en 1936 il a été admis au Missionsseminar de Hermannsburg (Allemagne). Il a étudié la théologie à Erlangen et à Tübingen et est entré au service de l’Église de la Confession d’Augsbourg d’Alsace et de Lorraine en 1944. Quelques années plus tard il a obtenu de la Faculté de Théologie Protestante de Strasbourg l’équivalence de ses diplômes et a été ordonné pasteur. Il a exercé son ministère dans quatre paroisses rurales successives : Hangwiller, Gerstheim, Neuwiller les Saverne et Waltenheim sur Zorn. Dès 1946 il rédigeait le mensuel « Fraternité Évangélique » et a dirigé de 1962 à 1978 l’hebdomadaire protestant « Le Messager Évangélique ». Il a écrit plusieurs jeux scéniques d’évangile en allemand tels « Der vierfache Acker » (La parabole du semeur), « Vergebung » (Pardon), « Wunderrat » (Conseiller merveilleux). Dans les années 1950 il a dirigé l’édition annuelle de l’Almanach Luthérien.

Il a écrit des chants, par exemple « Singt dem Herrn ein neues Lied » et « Der du der Sterne Bahnen schufst », dont le texte a été édité dans le Recueil de Cantiques de l’Église de la Confession d’Augsbourg d’Alsace et de Lorraine (1952), dans le recueil catholique allemand « Gotteslob », dans le Christkatholisches Gesangbuch, dans la publication AöL Leuchte, bunter Regenbogen, et dans Eingestimmt. Gesangbuch des Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland.

Il a écrit, toujours en allemand, trois livres : « Die Fünfpfündige », (éd. Luthériennes 1981), « Die kleinen Leute » (éd. J.F. Steinkopf, Stuttgart 1990) et « Das Fest der Begegnung » (éd. EPB, Karlsruhe1992).

Son lieu de séjour est la MDR Emmaüs du Neuenberg à Ingwiller (67).

Georges Kempf est l’époux de Angelika Müller, fille du pasteur Arthur C. Müller, née le 10 mai 1915 à Satzung (Erzgebirge). Ils ont 6 enfants (dont l’un, Matthis, est décédé en 2007), 14 petits-enfants et 12 arrière-petits-enfants. (*)
(*) notice rédigée en janvier 2013

Son épouse est décédé le 5 mai 2013, à Srasbourg, et repose avec lui au cimetière de Waltenheim sur Zorn. La cérémonie funèbre a été tenue le 15 mai au Bethlehemstift-Maison de retraite Bethléem, par Mme Siegwalt Elfriede, épouse de Gérard. La mise en terre à Waltenheim a suivi immédiatement.

Georges KEMPF, Biographie, deutsche Fassung

Georges Alfred Kempf wurde am 10. Dezember 1916 in Val d’Ajol (Département des Vosges / Vogesen) als Sohn einer Bergbauernfamilie geboren und wuchs auf einem kleinen Bauernhof im Münstertal (Elsaß) auf. Als Junglandwirt trat er mit zwanzig Jahren in das Missionsseminar Hermannsburg (Niedersachsen) ein und studierte später Theologie in Erlangen, Tübingen und Straßburg. Neben seinem Pfarramt in verschiedenen elsässischen Dorfgemeinden gab er seit 1946 die illustrierte Monatsschrift Fraternité Evangélique heraus und von 1962 bis 1978 die kirchliche Wochenzeitung Le Messager Evangélique. Als Leiter einer Jugendspielschar schrieb er eine Reihe von Evangelienspielen (Der vierfache Acker, Vergebung, Wunderrat u.a.) In den fünfziger Jahren leitete er außerdem die Herausgabe eines Almanach in der alemannischen Tradition des Guten Boten.

G. A. Kempf dichtete mehrere Kirchenlieder, darunter Singt dem Herrn ein neues Lied und Der du der Sterne Bahnen schufst, außerdem schrieb er Erzählungen: Die Fünfpfündige, Die kleinen Leute, Das Fest der Begegnung.

Lieder von G. A. Kempf fanden Aufnahme u.a. in dem Jugendliederbuch Die Mundorgel, im Gesangbuch der Kirche Augsburgischer Konfession im Elsaß und in Lothringen, im Christkatholischen Gesangbuch, in der AöL-Publikation Leuchte, bunter Regenbogen, in Eingestimmt. Gesangbuch des Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland und im katholischen Einheitsgesangbuch Gotteslob.

G. A. Kempf lebt heute in einem Seniorenheim im Elsaß.

Seine Ehefrau ist 2013 gestorben ubnd ruht bei ihm in Waltenheim an der Zorn


Lettre de Christian Kempf , 23.1.2013

Yves,
J’ai enfin pensé à terminer la notice pour mon père, la voici en pièce jointe. Je joins aussi le texte allemand que j’avais relu et corrigé en décembre 2008 pour une universitaire allemande qui voulait la faire paraître dans une étude (qui n’a jamais vu le jour), parce qu’il comporte des références (recueils allemands ayant repris certains chants de mon père) qui pourraient s’avérer précieuses, sait-on jamais.
M’inspirant du texte allemand, je n’ai mis dans ma notice aucune indication concernant la femme et les enfants de mon père.
Salut à toi,
Christian

DOCUMENT 2.  RUNDBRIEF DER MICHAELSBRUDERSCHAFT 2/2013


en 2 parties : Teil 1 : Gérard Siegwalt et Teil 2 :  Hans Mayr :


(Siehe Korrespondenz dazu am Ende)

(161)

Georges Kempf
* 10. Dezember 1916 in Val d’Ajol (französische Vogesen)
+ 24. März 2013 am Neuenberg i. Ingwiller (Elsass)

Teil 1 : Gérard Siegwalt : Lebenslauf in der Kirche in Waltenheim (Unter Elsass – Bas-Rhin)

Zunächst der Lebenslauf, so wie er von seinem Sohn Christian aufgesetzt, bei dem Abschiedsgottesdienst verlesen wurde.

Georges Kempf – Pfarrer Georges Kempf – Bruder Georges Kempf. Geboren ist er jenseits des Vogesenkamms, während des 1. Weltkrieges, als seine Familie ins Innere Frankreichs, in den „Département des Vosges“, evakuiert war. Am 10. Dezember 1916 hat ihn Salomé Kempf in Val d’Ajol zurWelt gebracht. Zwei Jahre später erst kam sie mit ihm nach Hause, auf denMageisberg in Soultzeren, Münstertal, wo er als einziger Sohn aufgewachsenist.
Zur Schule musste er jeden Tag zwei Mal den Berg hinunter über die steile Behlgass ins Dorf. „Das hat mir ein solch solides Herz gegeben“, meinte er viel später, als er über die für ihn lange Wartezeit seufzte. Wie dem auch sei, auf der Dorfschule hat er eines Tages, während eines Spieles in der Pause einen Schaden am Ohr erlitten, der ihm das Gehör beschädigt und allerhand Schmerzen verursacht hat. Nach dem Certificat d’études primaires hat er das Baccalauréat als Fernschüler auf der Allmend beim Kuhhüten vorbereitet und tadellos bestanden. Bei dem Babba Wagner, dem Pfarrer von Soultzeren, fand er starke Unterstützung
und warme Zuwendung. Ihm verdankte er, dass er 1936 nach Hermannsburg ins Missionsseminar durfte. Dieses Studium musste er vorzeitig, unter dem Druck des Naziregimes unterbrechen, kam dann aber nach Erlangen auf (162) die Theologische Fakultät, später nach Tübingen. 1943 trat er in den Dienst der Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Elsass-Lothringen und wurde Vikar in Bischheim, einem Vorort von Strasbourg. Nach einer kurzen Amtszeit auf dem Grünenberg (Montagne verte) bei Strasbourg wurde er zum Pfarrer in Hangwiller ernannt. 1950 siedelte er samt Familie um nach Gerstheim und 1956 nach Neuwiller les Saverne.

Inzwischen war es ihm gelungen, seine Theologiestudien von der Strasbourger Fakultät anerkennen zu lassen und war daraufhin ordiniert worden. In Neuwiller vereinte er zwei Kirchenzeitschriften, den „Kirchenboten“ und „Fraternité Evangélique“ und machte aus ihnen den wöchentlichen Messager Evangélique, den er bis 1978 leitete.

Geheiratet hat er am 11. April 1944 während seiner Vikarszeit in Bischheim. Seine Gattin Angelika geborene Müller hatte er in Frankfurt kennengelernt, als er dort in der Studentengemeinde eines seiner Evangelienspiele aufführen sollte und jemanden brauchte, der mit der Schar die Lieder einübte. Für ihre Hochzeit haben sie zwei Bibelverse ausgesucht:
Psalm 46, 3 „Wir fürchten uns nicht, wenngleich die Welt unterginge und die Berge mitten ins Meer sänken.“ 1. Johannes 3,1 „Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch!“ Barbara war ihr erstes Kind, geboren in den Tagen des alliierten Einzugs in Strasbourg. Hans kam das Jahr darauf in Ingwiller zur Welt, gefolgt von Christian und Mathis. Eine kurze Pause und dann Michel, und drei Jahre später  Tobias und dann Schluss. Aber da weilte die Familie schon in Gerstheim.

Bekannt war Georges Kempf in jenen Jahren nach dem Krieg für die Evangelienspiele, die er schrieb und die er mit der Spielschar in den Kirchengemeinden aufführte. Dieses Werk des Schriftstellers und Theologen hat viele Gemeindeglieder und eine Generation von elsässischen Pfarrern tief beeindruckt. Außerdem hat er zur Entwicklung der Equipes Unionistes Luthériennes in Neuwiller auf dem Herrenstein und dann im Schloss wesentlich
beigetragen.

Zur Michelsbruderschaft gehörte er etliche Jahre als treibendes aber auch kritisches Mitglied. Drei Bücher von ihm wurden veröffenlicht: „Die Fünfpfündige“, und dann „Die kleinen Leute“, in denen er Erinnerungen aus dem (163) Münstertal und aus seiner Seelsorger-Tätigkeit verdichtet, „Das Fest der Begegnung“, in dem er in Form eines lockeren Gesprächs seine Auffassung eines lebendigen Gottesdienstes darlegt. Er hat eine Reihe von Kirchenliedern geschrieben, darunter „Singt dem Herrn ein neues Lied“ und „Der Du der Sterne Bahnen schufst“. Einige seiner Lieder sind in elsässischen und deutschen Kirchenliederbüchern abgedruckt. Als Schriftsteller hat er den Friedrich-Schiller-Preis erhalten und im Elsass den Bretzel d’Or überreicht bekommen.

1972 wurde Georges Kempf Pfarrer hier in Waltenheim, wo er sich denn auch gewünscht hat, eines Tages begraben zu werden, wenn es soweit wäre. Einen großen Teil seines 1983 begonnenen Ruhestandes verbrachte er in Morsbronn. Dort leisteten Georges und Angelika noch manchen ehrenamtlichen Dienst in der Gemeinde und im Konsistorium Woerth. Georges hat sich über jedes seiner 14 Enkelkinder gefreut und dann über die 13 Urenkel, die ihm nacheinander vorgestellt und auf den Arm gelegt wurden.

2002 mieteten Georges und Angelika eine Wohnung im Bethlehem-Stift in Cronenbourg. 2007 erlebten sie, wie ihr Sohn Mathis im Alter von 59 Jahren an einer Krankheit starb. Bald darauf, weil er ständige und umfangreiche Hilfe benötigte, fand Georges Aufnahme im Seniorenheim Emmaus auf dem Neuenberg in Ingwiller und wurde dort mit viel Liebe und Zuneigung bis zum Ende gepflegt. Er ist auf dem Neuenberg in Anwesenheit seines Sohnes
Michel eingeschlafen und am Palmsonntag, dem 24. März 2013 gestorben.

Der Abschiedsgottesdienst fand in seiner letzten Pfarrgemeinde Waltenheim statt, in der „Eglise-Saints-Pierre-et-Paul. Ihm stand Pfarrer Fritz Westphal vor, den Br. Kempf als abgehender (164) Schriftleiter des Wochen-Kirchenblattes „Le Messager évangélique“ von der theologischen Fakultät holte, um ihm nachzufolgen und dem er schon vor Jahren gesagt hatte: „Fritz, dü begrabsch mich emol“. Br. Kempf hatte als Predigttext das letzte Wort des Auferstandenen nach Matthäus angegeben: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt
Ende.“ Es war eine geistliche Rede, die von Anfechtung und ihrem Durchstehen sprach, dank der in ihr immer wieder erfahrenen, erneuernden und aufrichtenden Hilfe. Zwei Zitate von Georges Kempf waren eingefügt, die beide etwas über seine Wahrhaftigkeit angesichts der unbegreiflichen geheimnisvollen Grösse Gottes aussagen.

„Unheimlich sind mir die Übereifrigen, die auf alles Antwort wissen, als hätten sie in der himmlischen Ratsversammlung mitgehört. Das Maß des Leidens, das in der Welt gelitten wird, vermag ich mir nicht vorzustellen, wohl aber viele Einzelschicksale; und oft, wenn ich gefragt werde, warum ein barmherziger Gott es geschehen lässt, muss ich verstummen. Der Unerforschliche wohnt im Dunkel – oder in einem Licht, da niemand zukommen kann. Beides steht in der Bibel. Beides kommt auf dasselbe hinaus.“ (Aus: Die kleinen Leute)

Und dann das Nachgottesdienstgespräch mit einem jungen Mädchen, die ihren alten Pfarrer den „alten Kyrie eleison“ nannte: „Du hast mir ja noch gar nicht gesagt, Evelyn, was dir an dem alten Kyrie eleison gefallen hat!“ „Och“, sagt sie, diesmal ohne zu erröten, „das war eigentlich nur, weil er – weil Sie zweimal gesagt haben: „Ich weiß es nicht“. Das hat mir gefallen, dass ein Pfarrer, ein alter Pfarrer vor den Leuten eingesteht, dass er auch nicht alles weiss. Ich meine vom Glauben. Meistens wissen sie doch alles genau – was Gott will, was Gott sagt, was Gott denkt, – wie wenn sie alle Tage mit dem lieben Gott zu Mittag essen würden …“

Die Lieder beim Abschiedsgottesdienst (auch das von Georges Kempf gedichtete: „Der du der Sterne Bahnen schufst“) stammten alle aus dem deutschen Gesangbuch, sonst war die Feier weithin in französischer Sprache gehalten. Eine kurze deutsche Ansprache folgte der französischen Predigt, besonders auch im Blick auf Angelika, die „Bruderfrau“ (sie hat unseren Bruder durch sein Leben in Familie, Gemeinde und Bruderschaft begleitet und  (165)
auf ihre zugleich zupackende und besinnliche, das Partnerschaftliche der Frau betonende und kritisch Fordernde, unentwegt stimuliert und ihre besonderen Akzente gesetzt; sie hatte das Charisma der Gastfreundschaft und des Singens). In dieser Ansprache sprach der Unterzeichnete über den Karsamstag, Tag der Beerdigung unseres Bruders, und über die Bedeutung des im Apostolischen Glaubensbekenntnis stehenden Satzes „hinabgestiegen in das Reich des Todes“: 

„Karsamstag. Im Grab. Er, der Verstorbene, hineingetreten in die unsichtbare Dimension des Hinabstiegs Christi, des Lebenden, in das Totenreich. Ihr, Leidtragende, hineingetreten in dieselbe Dimension, die Ihr als wirkende, als läuternde, als erneuernde, als aufrichtende für Euch selber erfahren möget.“ Am Grab sangen die anwesenden elsässischen Brüder, so gut sie es vermochten, das „Ins Paradies“.

Nachwort: Beim folgenden Treffen zum Kaffee im Festsaal von Waltenheim machte ein Nachbarpfarrer (Yves Keler) aus der Morsbronner Zeit auf den Fund aufmerksam, den er im Morsbronner Nachlass im 1. Stockauf des Pfarrahauses entdeckt hatte (den Alten unter uns wohl bekannt): die Gedichte von Georges Kempf, aus den letzten Kriegsjahren stammend: „In den Weihnachten zu singen“. Sie verdienen es tatsächlich, besinnlich gelesen zu werden. Zu finden im Internet unter www.chants-protestants.com unter „Les chants de.Georges Kempf. Die deutsche Urfassung steht nach der von Yves Keler verfassten französischen Übertragung.

Gérard Siegwalt, Professor der Evangelischen Theologischen Fakultät Strassburgs im R.



Teil 2 : Dr. Hans Mayr, Pf. In Ruhestand
Georges Kempf * 10.12. 1916  + 24.3.2013
Gebetserfahrung mit der Taschenzwiebel


Erinnerung an Georges Kempf von Dr. Hans Meyer, Pr. In Ruhestand, Stuttgart  
Brief vom 6.9.2013

Text im Rundbrief der Michaelsbruderschaft Würtenberg und Baden 2/2013

Georges Kempf * 10.12. 1916  + 24.3.2013
Gebetserfahrung mit der Taschenzwiebel

„Gott gibt täglich Brot, auch wohl ohne unsere Bitte, allen bösen Menschen; aber wir bitten in diesem Gebet, dass er’s uns lasse erkennen und wir mit Danksagung empfangen unser täglich Brot.“ Luthers Erklärung der 4. Bitte haut in die Kerbe, die unser Verstand – auch der fromme Verstand – dem Bittgebet schlägt. Weshalb soll man um das Selbstverständliche bitten? Hat nicht Jesus gesagt: „Euer Vater weiß, was ihr bedürfet, ehe denn ihr ihn bittet?“  Wenn es wahr ist, dass „denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen“, ist dann nicht auch der Sinn allen Betens der, unser Wünschen und Wollen mit der Fügung Gottes in Einklang zu bringen? Und wenn wir bitten, dann doch vor allem um die großen Gaben des Heiligen Geistes: „Trachtet am ersten …, alles andere wird euch zufallen.“ Um allen Axthieben des frommen Verstandes standzuhalten, muss das Bittgebet schon von hartem Holz sein. Zum Glück hat Jesus es widerstandsfähig gemacht, indem er in seine Gebetsanweisung die schlichte Bitte um das Brot mitten hinein stellte. Und Martin Luther hat die Schwäche der ersten Hälfte seiner Erklärung wettgemacht durch ihren zweiten Teil: „Was heißt denn täglich Brot?“ Wenn ich die Aufzählung recht verstehe, die er dieser Frage folgen lässt, darf ich sie zusammenfassen in den Satz: Alles, was der Mensch zum Leben braucht oder zu brauchen meint. „Lasst euch nur nicht auf den Gedanken ein“, pflege ich meinen Konfirmanden zu sagen, „man dürfe Gott nicht mit allen alltäglichen Kleinigkeiten belästigen ». Manchmal erzähle ich ihnen auch mein Gebetserlebnis aus der Zeit, als ich in ihrem Alter oder etwas jünger war.

Damals hatte mir ein Onkel, den ich deswegen und aus anderen Gründen hoch verehrte, eine Taschenuhr geschenkt. Es war noch eine von den ganz alten, wie sie heute um teures Geld gehandelt werden, eine richtige Zwiebel, die mit einem winzigen Schlüsselchen aufgezogen wurde, nachdem man durch leichten Federdruck den Deckel hatte hochklappen lassen. Vornehme Herren trugen sie mit doppelter Uhrenkette in der Westentasche, gewöhnliche Arbeitsleute wie mein Onkel steckten sie vorn in die Hose, die zu diesem Zweck mit einer besonderen Uhrentasche versehen war. Meine Mutter musste mir auch eine solche in die Hose nähen. Ich war mächtig stolz, keiner meiner Kameraden hatte Gleichwertiges aufzuweisen. Die Zwiebel blieb zwar eigenwillig wie ein Esel von Zeit zu Zeit stehen, doch genügte ein Schütteln und Klopfen gegen die Handfläche, um allemal ihr kräftiges Ticken wieder in Gang zu setzen.

Nun konnte es also nicht mehr fehlen mit der Pünktlichkeit. Ich hatte einen ziemlichen Schulweg vom Berg bis hinab ins Unterdorf, stellenweise steil wie ein Dach. Raufzus war eine halbe Stunde die Norm, runterzus genügte eine Viertelstunde und manchmal, wenn es arg pressierte, noch weniger.

Bald nachdem ich glücklicher Uhrenbesitzer geworden war, pressierte es wieder einmal; um eins, zur Nachmittagsschule. Nach dem ersten Viertel meines Weges, als ich eben die Schluchtstraße überquerte, kontrollierte ich die Zeit anhand meiner Taschenzwiebel und stellte fest, dass mir noch fünf Minuten blieben, allerhöchstens sieben, falls sie immer noch wie vor Mittag zwei Minuten vorging. Nun spielte ich Siebenmeilenstiefel und schaffte es tatsächlich, mit den Letzten durch das Schultor zu schlüpfen.

Auf meinem Platz in der hintersten Bank verschnaufte ich erst mal. Als das soweit geregelt war, befühlte ich die Uhrentasche. Du Schreck, sie war leer!

So lang wie an diesem Nachmittag hatte es noch keine Schulstunden gegeben. Endlich um vier – ich hatte keinen ins Vertrauen gezogen – konnte die Suche losgehen. Nase am Boden wie ein Spürhund, im Zickzack, rekapitulierend welche Felsen ich übersprungen, welche Ecken ich geschnitten hatte, suchte ich Meter um Meter ab bis zur Schluchtstraße. Nichts. Denselben Weg zurück nach derselben Methode. Wieder nichts.

Jungen von heutzutage, die mit zehn Jahren ihre Uhr am Handgelenk tragen und, wenn sie weg ist, einfach verkünden: „Papa, ich muss eine neue Uhr haben, die alte ist futsch“, die verstehen das natürlich nicht. Auf meinem dritten Suchweg flossen die Tränen. An der steilsten Stelle, bei der Steinkanzel, ging ich vom Weg ab hinter die Hecke, da kniete ich hin und betete. Ihr könnt mir das ruhig glauben: Ich wüsste auch heute noch nicht, wie ich Gott herzlicher um etwas bitten könnte, als ich ihn damals darum bat, er möchte machen, dass ich die Uhr wieder finde. Danach – beten enthebt nicht der eigenen Bemühung – ging die Suche weiter, bis ich fast wieder die Schluchtstraße erreicht hatte. Da stand die Nachbarin am Weg und hatte nach ihrer Gewohnheit beide Hände unter der blau und grün karierten Schürze. Die Elise war sonst nicht die freundlichste, ich fürchtete sie ein wenig. Jetzt aber, als sie den Mund auftat, klang ihre scharfe Stimme wie Musik: “Gell Schorsch, dü süechsch ebbes?“ Und die Hand, ich sah sie wie durch einen Schleier, die Hand, die meine Zwiebel hielt, kam unter der Schürze  hervor. „Ich hab schon gsehn, wie dü sie verlore hesch!“

Wie gesagt, es hat sich bisweilen ergeben, dass ich als „Einstieg“ die Geschichte meinen Konfirmanden erzählte mit der Frage: „Was meint ihr, ist es auch richtig, Gott um so etwas einfältiges zu bitten?“ Sie antworteten nicht immer wie erwartet. Pascal, ein besonders pfiffiger, meinte: „Herr Pfarrer, die Elis hett doch die Zwiewel schon gfunden, vor eb ihr gebett han.“

Wir haben daraufhin Jesaja 65, Vers 24 aufgeschlagen. Und auch auswendig gelernt.

Korrespondenz dazu

           Dr. Hans Mayr, Pf. In Ruhestand
           betrifft : Georges Kempf * 10.12. 1916  + 24.3.2013
           Gebetserfahrung mit der Taschenzwiebel

Geehrter Herr Kollege, lieber Amtsbruder Kéler,

ich danke Ihnen für Ihre Anfrage wegen Georges Kempf anlässlich seines Todes am 24.3.2013. Gerne antworte ich Ihnen mir ein paar Nachrichten.

Georges Kempf war einer der profiliertesten und liebenswertesten Brüder in der Evangelischen Michaelsbruderschaft, zu der auch ich seit 1975/77 gehöre.
Ich habe eine Zeitlang eng mit ihm zusammen gearbeitet, besonders um 1983, als ich im Auftrag der Michaelsbruderschaft ein Buch mit Lebensbildern von 57 « ökumenischen Heiligen » herauszugeben hatte. Es ist unter dem Titel « Glaubenszeugen der Einen Kirche » im Jahre 1984 im Johannes Stauda Verlag Kassel erschienen. Darin stammen von Georges Kempf die Folgenden:
Marc Boegner (S.64f), Suzanne de Diétrich (S.66f), Marie Durand (S.58f), Jörg Erb (S.90f), Wibrand Rosenblatt (S.22f) und Gustav Steinheil (S.84f)

Das erste Lied, das ich – noch als Jugendlicher, der ihn nicht kannte – von ihm kennen lernte, war « Singt dem Herrn ein neues Lied », mit einer zur Gitarre zu singenden Melodie von Alfred Stier (Unsere Fahrtenlieder, 1954, N° 22, Eichenkreuz-Verlag)

Später stieß ich durch die Treffen der Evangelischen Michaelsbruderschaft mit der Katholischen Aktionsgemeinschaft Rottenburg wieder auf das Lied, dessen Dichter ich inzwischeh kannte. Ich fand es im katholischen Gesangbuch « Gotteslob » N° 268, mit einer anderen, mehr gesangbuchfähigen Melodie von Adolf Lohmann 1952. Erst noch später erfuhr ich, dass es auch ins Siebenbürgisch-sächsiche Gesangbuch kam.

Als ich ihn einmal in Waltenheim sur Zorn besuchte, schenkte er mir den Text einer seiner meisterhaften Kurzerzählungen, die ich mir als Andenken aufbewahrt habe. Sie handelt von seiner Kinderzeit, die er als « Waldbauernbub » im elsässischen Münstertal verbrachte: « Gebetserfahrung mir der Taschenzwiebel ». Anlässlich des Todes von Georges Kempf ließ ich sie im « Rundbrief der Evangelischen Michaels-bruderschaft » vom Juli 2013 auf Seite 172 bis 174 veröffentlichen.

Sie finden den Text als Datei im Anhang


Mit herzlichen Grüßen Ihr Dr. Hans Mayr, Pfarrer i.R.